Claire, Heinrich, Hannelore und Inge Schwarzenberger

Berlepschstraße 1

 

Heinrich (Henry) Schwarzenberger

 

Heinrich Schwarzenberger wurde am 07.05.1901 in Neckargartach (Heilbronn) geboren. Seine Mutter war Paula Schwarzenberger, geborene Weisner aus Kassel und sein Vater Dr. Beni Schwarzenberger aus dem Badischen. Heinrich wuchs zunächst in Neckargartach auf und verzog mit seinen Eltern Ende 1909 als Neunjähriger nach Kassel. Dort wohnte er mit seinen Eltern bis 1926 in Grüner Weg 18. Über seine Schulzeit ist uns nichts bekannt.

Heinrich heiratete 1926 seine 1906 in Bielefeld geborene Frau Claire, geborene Moritz. Sie wohnten mit ihrer erstgeborenen Tochter Hannelore in der Luisenstraße 10 und später mit Hannelore und der jüngeren Tochter Inge in der Berlepschstr. 1. Heinrich war in der Firma seines Großvaters Gerson Weisner, die von seinem Onkel Max geführt wurde, in der Orleanstraße 3 in Kassel als Textiltechniker beschäftigt.

 

Es wurde immer schwieriger, sich wegen des stark aufkeimenden Nationalsozialismus eine gute friedvolle Zukunft in Kassel für eine junge jüdische Familie vorzustellen. Heinrich entschied sich daher mit seiner Frau und seinen beiden Kindern, Kassel Anfang 1933 zu verlassen. Sie zogen zunächst zu den Eltern seiner Frau nach Bielefeld. Im selben Jahr zogen sie weiter nach Holland. Um dort Fuß zu fassen, hatte Heinrich die gesamte Briefmarken- und Münzensammlung seines Vaters mit nach Holland mitnehmen und sie dort gut verkaufen können. 1934 trennte sich Heinrich von seiner Frau und wanderte zunächst nach Ecuador aus, wo es ihm nicht gelang, eine neue Existenz aufzubauen. Nachdem er 1934 die Familie in Amsterdam verlassen hatte, nahm seine Mutter Paula in Kassel seine beiden Töchter Anfang 1934 bis Ende 1938 zu sich. Im Januar 1936 wurde seine Ehe mit Claire in Den Haag geschieden.

Als es in Kassel besonders nach der Progromnacht 1938 für Juden unerträglich und für jüdische Kinder sehr gefährlich wurde, kamen Hannelore und Inge Ende 1938 zurück zu ihrer Mutter Claire nach Amsterdam, die inzwischen neu verheiratet war. Nun war das Geld aus dem Verkauf der Briefmarken und Münzen seines Vaters für seine Töchter sehr hilfreich. Damit konnte der private Sprachunterricht in Niederländisch und der Besuch einer Privatschule bezahlt werden, als jüdischen Kindern 1940 der Besuch von öffentlichen Schulen in den Niederlanden untersagt wurde.

 

Heinrich siedelte Anfang 1937 in die USA über, wo er eingebürgert wurde. Seit 1948 war sein Wohnsitz in New York. Heinrich hatte 1950 seinen Vornamen in Henry geändert.

1952 und die folgenden Jahre bis 1968 hatte Henry über seine Anwälte mit den deutschen Gerichten und Behörden gekämpft, um eine Entschädigung für seine von den Nazis ermordeten Töchter und Mutter zu erhalten. Bereits 1956 war er wegen einer schweren Herzerkrankung zu 50 % erwerbsunfähig. Es ist anzunehmen, dass der frustrierende und der sehr langwierige ärgerliche 16–jährige Verlauf des Entschädigungsprozesses seiner Gesundheit schwer geschadet hat. Leider hat er daher den Bewilligungsbescheid für die Entschädigung nicht mehr selber entgegennehmen können. Er starb am 29.03.1968 in New York. Der Bescheid, mit dem ihm eine Entschädigung zugesprochen wurde, wurde am 16. Mai 1968 erteilt, leider erst nach seinem Tod. Henry hatte in den USA nochmals geheiratet. Seine Frau Else, geborene Hagedorn, erbte seine Entschädigungsansprüche. 

 

Claire Monasch, geschiedene Schwarzenberger, geb. Moritz

 

 

Claire wurde am 25.08.1906 in Bielefeld geboren. Ihre Eltern waren Sigmund Moritz (1877) und Martha Moritz, geborene Sternfeld (1882). Claire war die Jüngste von 4 Geschwistern. Während ihre Eltern und ihre Schwester Ruth die NS-Zeit nicht überlebten, gelang es ihrem Bruder Ernst und ihrer Schwester Margarete sich ins Ausland zu retten. Ihre Schwester Margarete verstarb 1998 in den USA. Wo ihr Bruder lebte und ob er noch lebt, ist nicht bekannt. Ebenso ist nicht bekannt, ob sie verheiratet waren und ob es aus diesen Beziehungen Kinder oder gar Enkelkinder gab.

 

Claire heiratete am 25.08.1926 Heinrich Schwarzenberger in Bielefeld. Sie wohnten bis 1928 in Kassel in der Luisenstraße 10. Im Jahr 1929 verzogen sie in die Berlepschstr. 1. Claire bekam zwei Töchter: 1927 wurde Hannelore Beatrice und zwei Jahre später Inge geboren. Als 1933 die Situation in Kassel für Claire und Heinrich unerträglich wurde, zog die junge Familie Anfang 1933 zu ihren Eltern nach Bielefeld. Danach ging es weiter nach Holland. 1934 trennte sich Heinrich von ihr. Daraufhin nahm Paula, die Oma aus Kassel, die beiden Kinder bis Dezember 1938 bei sich auf. 1936 wurde die Ehe zwischen Claire und Heinrich 1936 in Den Haag geschieden. Im Juni 1938 heirate Claire den Holländer Arnold Monasch (geboren am 24. Juni 1901 in Gouda). Sie wohnten in Amsterdam. Im Dezember 1938 kamen ihre beiden Töchter aus Kassel zu ihr und Arnold nach Amsterdam zurück.

Am 26. August 1943 wurden Claire, ihr Mann und ihre beiden Töchter in das Konzentrationslager Westerbork in Holland deportiert. Das Lager Westerbork war ein Durchgangslager. Mehr als 100.000 inhaftierte Juden wurden von dort in Zügen nach Ausschwitz, Sobibor, Theresienstadt und Bergen-Belsen transportiert. Claire mit Familie blieben nur wenige Tage in Westerbork. Bereits am 7. September 1943 wurde sie (37), ihr Mann Arnold (42) und die beiden Töchter Inge (13) und Hannelore (16) nach Ausschwitz deportiert und offenbar bald nach der Ankunft ermordet, wie aus einer Bescheinigung des Roten Kreuzes der Niederlande aus der Nachkriegszeit hervorgeht (siehe Abbildung rechts - arolsen archives)

 

 

Hannelore und Inge Schwarzenberger

 

Die jüngere Inge und die ältere und Hannelore Beatrice sind die beiden Töchter von Claire und Heinrich Schwarzenberger. Beide wurden in Kassel geboren. Hannelore am 19. Juli 1927 und Inge am 29. November 1929. Die junge Familie wohnte mit Hannelore zunächst in der Luisenstraße 1 und zusammen mit Inge in der Berlepschstr. 1.   .

 

In Kassel wohnten auch ihre Großeltern Oma Paula und Opa Beni Schwarzenberger, sowie die Großtante Lina Bachrach, eine Schwester von Opa Beni. Zudem auch noch Onkel Max Weisner, der Bruder von Oma Paula mit seiner Frau Olga und dem Cousin Gerson Gilbert mit seiner Schwester Eva. Die Familien konnten daher untereinander Kontakte pflegen.

 

Anfang 1933, da war Inge 3 Jahre Hannelore 5 ½ Jahre alt, zogen ihre Eltern mit ihnen zu Opa Siegmund und Oma Martha Moritz, den Eltern von Claire in Bielefeld, um dem Naziterror in Kassel zu entkommen. Später im selben Jahr verzog die junge Familie weiter nach Holland. Ab Oktober 1933 waren sie in Amsterdam gemeldet. Nachdem sich ihr Vater Heinrich 1934 von seiner Frau Claire getrennt hatte, nahm ihre Oma Paula aus Kassel aus Sorge um ihre beiden Enkelkinder diese zu sich. Von August 1934 bis Dezember 1938 lebten die beiden Mädchen überwiegend bei der Großmutter in der Lutherstraße 1. Zwischendurch gab die Großmutter, weil es ihr mit der Betreuung ihrer Enkelkinder zu viel wurde und aus Verfolgungsgründen diese in das Jüdische Waisenhaus, Gießbergstr. 7, wo sie auch die jüdische Volksschule besuchten. Die Wohnung der Großmutter lag sehr nah (ca. nur 200 Meter) vom jüdischen Waisenhaus entfernt.

Nachdem sich die Situation für Juden in Kassel massiv zuspitze, insbesondere in der Progromnacht am 7. November 1938, wo SA Männer in das jüdische Waisenhaus eindrangen und alle männlichen Waisenkinder auf die Straße trieben und ins KZ Buchenwald brachten, willigte die Großmutter ein, dass Inge und Hannelore Ende 1938 zurück zur Mutter nach Amsterdam kehrten. Claire hatte 1938 den Holländer Arnold Mosbach geheiratet. In Amsterdam wohnten sie mit ihrer Mutter und dem Stiefvater Arnold Monasch in der Gabriel Metsustraat 11. Inge und Hannelore besuchten ab 1939 zunächst die öffentlichen Schulen. Da war Inge 9 und Hannelore 11 Jahre alt. Sie bekamen zusätzlich Privatunterricht in der niederländischen Sprache. Die Kosten dafür übernahm ihr Vater Heinrich. Nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht konnten die Geschwister ab Juni 1940 nur noch in Privatschulen beschult werden. Auch diese Kosten übernahm ihr Vater Heinrich. Ab Mai 1942 mussten alle Juden in Holland offen einen Judenstern tragen, so auch Inge und Hannelore.

 

Am 26. August 1943, Inge war noch 13 und Hannelore gerade 16 Jahre alt geworden, wurden sie zusammen mit ihrer Mutter und dem Stiefvater in das Konzentrationslager Westerbork in Holland deportiert. Am 7. September 1943 wurden sie von den Nazis von  dort  im Zug in das Vernichtungslager nach Ausschwitz deportiert.Nach einer Auskunft des niederländischen Roten Kreuzes in Amsterdam gilt für Inge der 10. September 1943 und Hannelore der 30. November 1943 als Todestag.

Deportationszug von Westerbork - Zugschild (Herinneringscentrum Kamp Westerbork)

 

 

Wolfgang Bahr, Oktober 2023

 

(Verlegung am 19.10.2023)

 

 

 

Quellen und Literatur

 

- Arbeitskreis Heimat und Kultur Neckargartach e.V. (AKHKN) Kulturschmiede Neckargartach

- Bundesarchiv (Gedenkbuch)

- HHStA Wiesbaden (Wiedergutmachungs-Akten, Bestand 270, Kassel Nr. 4566)

- Stadtarchiv Kassel: Kasseler Adressbuch, Hausstandsbücher, Meldekarten

- Geni.com/people ('Fotos eingestellt von Allan Schwarzenberger)

- Dr. Thomas Föhl, Klassik Stiftung Weimar

- Stadtarchiv Bielefeld (Liste der in Bielefeld um 1933 ansässig gewesenen Juden und ihre Schicksale)

- Stolpersteininitiative Bielefeld, Frau Dr. Biermann (Minninger, Monika/Meynert,

- Joachim/Schäffer, Friedhelm: Antisemitisch Verfolgte Registriert in Bielefeld 1933-45. Eine  Dokumentation jüdischer Einzelschicksale. Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 4. Bielefeld 1985, Seite 156

- arolsen archives, International Center on Nazi Persecution

 

 

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